Lisa

Post-its everywhere!

Estnisch lernen mit Küchenutensilien und Harry Potter

Reden mit Händen und Füßen, von einfachen Vokabeln zum großen Wortschatz - Wie man es in einem Jahr schafft, Estnisch mit allen 14 Fällen zu meistern.
YFU Austria:

Viele Austauschschüler*innen die ihren Austausch in einem nicht-englischsprachigen Land beginnen - sprechen die Sprache ihres Gastlandes noch nicht. Mit welchen Sprachkenntnissen bist du in dein Austauschjahr gefahren? Welche Gedanken und Gefühle hattest du dabei?

Lisa:

Als ich nach Estland gefahren bin, kannte ich die Sprache kaum. In den Sommerferien vor dem Abreisetermin habe ich versucht, einfache Vokabeln zu lernen, z.B. die Zahlen von 1 bis 10 und Begrüßungsformen.

Mit Gastmama und Gastpapa bei einem Ausflug.
YFU Austria:

Wie erging es dir mit diesen Sprachkenntnissen?

Lisa:

Mein Wortschatz war anfangs sehr begrenzt. mit den gelernten Vokabeln konnte ich nur meine Gastfamilie begrüßen. Sätze zu bilden oder Konversationen zu folgen war mir am Beginn meines Austauschjahres vollkommen unmöglich.

YFU Austria:

Was ist das Besondere an der estnischen Sprache?

Lisa:

Estnisch zählt zu der finno-ugrischen Sprachgruppe, zu der auch Finnisch und Ungarisch gehören, es ist eine sehr schwere Sprache. Das Komplizierteste sind die 14 Fälle. Die haben mir zu Beginn des Austauschjahres die meisten Schwierigkeiten bereitet. Auch gibt es jede Menge ö's, ä's und ü's.

YFU Austria:

War es am Anfang schwierig, die Menschen zu verstehen? Dich mitzuteilen? Kannst du uns von einem einprägsamen Erlebnis berichten?

Lisa:

Anfangs war es schwierig, sich zu verständigen, da meine Gastfamilie und ich uns nicht gut in Englisch unterhalten konnten. Wenn wir miteinander geredet haben, hatte immer jeder von uns ein Wörterbuch in der Hand.
Oft kam es auch zu Missverständnissen, doch ein großes Problem war das nie. Wenn wir uns überhaupt nicht verstanden und keiner wusste, was der andere meinte, haben wir uns mit Händen und Füßen zu verständigen versucht oder manchmal auch gezeichnet.

YFU Austria:

Hast du einen Sprachkurs absolviert oder hast du dir die Sprache selbst beigebracht? Welche Erfahrung hast du damit gemacht?

Lisa:

Einen richtigen Sprachkurs hatte ich nicht, aber ich hatte ein oder zweimal in der Woche eine extra Stunde mit meiner Estnischlehrerin in der Schule. In diesen Stunden erklärte sie mir die Grammatik. Anfangs waren die Stunden richtig mühsam und deprimierend. Ich hatte Angst, dass ich die Sprache niemals lernen könnte. Noch dazu war meine Lehrerin nicht mehr die Jüngste und ihre Englischkenntnisse begrenzt. Sie erklärte mir alle Grammatikübungen auf Estnisch und konnte mir mit ihrem gebrochenen Englisch meist auch nicht weiterhelfen. Dafür waren mir meine Freunde in der Schule eine große Hilfe. Sie konnten alle gut Englisch und erklärten mir die Grammatikaufgaben und die verschiedene Redewendungen.

YFU Austria:

Manche Austauschschüler*innen lesen Kinder- oder Märchenbücher, um die Sprache leichter und besser zu lernen. Was hast du getan, um schnell Estnisch zu lernen?

Lisa:

Mit dem Lesen von Büchern habe ich eigentlich erst im Frühling begonnen. Das erste Buch war “Harry Potter und der Stein der Weisen”. Von Kapitel zu Kapitel habe ich gemerkt, dass es mir immer leichter fiel, die Geschichte in estnisch zu verstehen.

YFU Austria:

Erzähle uns von einem Schlüsselerlebnis an dem du gesagt hast - „Ich kann's!“

Lisa:

Dieses Erlebnis hatte ich eigentlich nicht wirklich. Während des Jahres war es immer ein Auf und Ab. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass ich alles verstehe und gut spreche, an anderen Tagen war ich total überfordert und habe überhaupt nichts verstanden.
Ich habe mich jedes Mal sehr über die Komplimente gefreut, dass ich gut Estnisch spreche oder keinen Akzent habe. Es ist sogar öfters vorgekommen, dass ich für eine Estin gehalten wurde, worüber ich mich besonders gefreut habe.

YFU Austria:

Was hat in deinem Fall besonders gut funktioniert? Welchen Tipp kannst du anderen Austauschschüler*innen mit auf den Weg geben, die Sprache leichter und besser zu lernen?

Lisa:

Ich habe im ganzen Haus Post-its verteilt und die Namen der Gegenstände darauf geschrieben. Die Küche meiner Gastfamilie war während der ersten Wochen mit kleinen gelben Zettelchen zugeklebt. Wenn Zeit dazu war, hat mich meine Mutter Vokabeln abgeprüft, d.h. sie hat mir alle möglichen Küchenutensilien unter die Nase gehalten und ich musste den estnischen Namen sagen. Das war immer sehr unterhaltsam und lustig. Ich glaube, meine Gastfamilie hat mir beim Erlernen der Sprache am meisten geholfen.